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Die Ameisenstelze in Afrika

Die Ameisenstelze stammt ursprünglich aus Afrika. Sie war dort offensichtlich zunächst in Zentralafrika, vor allem in Mali und in den westlichen Gebieten Äthiopiens beheimatet, wie gemeinsame Forschungen von französischen Ornithologen und französischen sowie spanischen und portugiesischen Ethnologen in den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts nachweisen konnten. Die in relativ großen Schwärmen zusammenlebenden Vögel ernährten sich in erster Linie von Insekten, wobei eine heute ausgestorbene Riesenameise (Exemplare dieser Art wurden bis zu 10 cm lang) einen lebensnotwendigen Nahrungsbestandteil darstellte. Als die Riesenameisen vor etwa 12.000 Jahren ausstarben stellte die Ameisenstelze in einem etwa 1500 Jahre dauernden Prozess ihre Ernährung um und ernährte sich fortan von der Roten Savannenameise. Diese bis heute existierende Ameisenart wird nur etwas mehr als halb so groß wie die Riesenameise, ist mit einer maximalen Größe von 6,5 cm Länge immer noch die größte afrikanische Ameisenart.

Beide Ameisenarten enthielten eine spezifische Eiweißart, die die Ameisenstelze dringend für die Aufrechterhaltung ihres Stoffwechsels benötigte.

Als im Laufe der Vegetationsverschiebung in Afrika die Rote Savannenameise ihren Lebensraum nach Norden verlagerte und schließlich vor allem in Algerien und Ägypten vorkam, verlagerte sich auch der Lebensraum der Ameisenstelze, die ihrer Nahrungsgrundlage folgte. Für die Zeit ab etwa 7000 v. Chr. ist sie in Nordafrika nachweisbar, während sich aus dieser oder jüngerer Zeit in Zentralafrika keine Spuren mehr finden lassen.

Wie die Ameisenstelze nach Europa kam

Waren die Lebensbedingungen für die Ameisenstelze seit ihrer "Übersiedlung" in den Norden des afrikanischen Kontinents über alle Zeiten hinweg bis in die Neuzeit hinein relativ stabil geblieben, so kam es zu Beginn des 16. Jahrhunderts zu einer Art "Hungersnot" für die Ameisenstelze. Infolge eines gewaltigen Insektensterbens, das einherging mit gravierenden Veränderungen in der Vegetation Nordafrikas, fehlte der Ameisenstelze plötzlich eine ihrer zentralen Lebensgrundlagen.

In dieser Situation kam es zu einem sehr ungewöhnlichen Ereignis: Von Nordafrika aus machten sich zwei gewaltige Ameisenstelzen-Schwärme nach Norden auf. Dies stellt für die Fachwissenschaft insofern ein Rätsel dar, als es sich bei der Ameisenstelze ursprünglich nicht um einen Zugvogel handelte, sondern vielmehr um eine durchaus sesshafte Vogelart, deren Lebensraum einen Radius von 100 km selten überschritt.

Der Aufbruch der mindestens zwei großen Ameisenstelzen-Schwärme lässt sich sehr genau auf das 1512 terminieren, denn es gibt in mittelalterlichen Handschriften sowohl ägyptischer als auch algerischer Ornithologen erstaunlich genaue Beschreibungen des ganz außergewöhnlichen Vogelzugs, die sich auf einen beinahe identischen Zeitpunkt beziehen.

Das weitere Geschehen hat eine Forschergruppe um den außergewöhnlich verdienstvollen Ornithologen Leopold Blumenmikkele in den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts rekonstruiert:

Offensichtlich gelangte einer der beiden Ameisenstelzen-Schwärme (vermutlich handelt es sich um den von Ägypten aus nach Norden gezogenen Schwarm, der zweite Schwarm hat offenbar nicht überlebt) nach Europa, wobei sich die Tatsache, dass sich die Ameisenstelze nicht in den wärmeren südeuropäischen Ländern, sondern im weit kälteren Norden ansiedelte, wiederum durch die nur dort gegebene Nahrungsgrundlage erklären lässt. Nur in Nordeuropa, vor allem in den Gebieten des heutigen Polens sowie Deutschlands und der skandinavischen Länder, fand sich nämlich eine Ameisenart, die jenes Eiweiß enthält, ohne das die Ameisenstelze nur eine entwicklungsgeschichtlich sehr kurze Zeit überleben kann. Es handelt sich dabei um eine noch heute vor allem in Norddeutschland zu findende Abart der gemeinen deutschen Waldameise, die so genannte Savannenameise. Von dieser Ameisenart, die bis ins frühe 19. Jahrhundert vor allem in ländlichen Gegenden wie etwa dem nördlichen Mecklenburg wegen ihres gehäuften Auftretens eine regelrechte "Landplage" darstellte, ernährte sich die Ameisenstelze vorzugsweise.

Im Laufe von etwa zwei Jahrhunderten kam es allerdings zu einem Mutationsschub, der dazu führte, dass sich die Ameisenstelze heute wie die meisten anderen einheimischen Vogelarten von verschiedenen Kleininsekten sowie pflanzlich ernähren kann. Im Zuge der Mutation ist es offenbar zu einer Gen-Verschiebung gekommen, die die Aufnahme spezieller Eiweißverbindungen überflüssig macht.

Die Ameisenstelze heute

Heute erinnert der Anblick einer Ameisenstelze nur noch Experten an ihre afrikanische Herkunft. Dies umso mehr als die Ameisenstelze in Afrika selbst inzwischen gänzlich ausgestorben ist. Die letzten Exemplare wurden dort gegen Ende des 18. Jahrhunderts gesehen und von Fachleuten aus verschiedenen Ländern beschrieben.

Der Anblick einer Ameisenstelze stellt aber auch in Europa inzwischen eine seltene Freude dar. Größere Bestände gibt es nur noch im nördlichen Masuren, in Mecklenburg-Vorpommern (dort besonders an den größeren Seen sowie an Ostsee und Bodden) sowie im südlichen Dänemark und in Südschweden.

Im Bereich Fischland/Darß setzt sich der Verein "Die Ameisenstelze soll leben!" für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen ein. Er kämpft dafür, diesen außergewöhnlichen Vogel unter Naturschutz zu stellen.

 

Wolfram Nonsinn

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